Dynamikkompression Teil 4 – Der Kompressor als „Transientdesigner“

Im letzten Teil ging es um den Kompressor als „Leveling-Amplifier“. In diesem Beitrag geht es darum, wie mit Hilfe des Kompressors Transienten gezielt verändert werden können.

Transienten spielen eine wichtige Rolle in der Wahrnehmung von Musik. Gerade beim Schlagzeug, kann der Klang der Transienten maßgeblich den Groove der Musik prägen. Neben der Klangbalance, die v. a. durch Equalizer geregelt wird und der dynamischen Konsistenz (hier helfen Volume-Automation oder Kompression des Typs „Leveling-Amplifiers“), spielt auch die detaillierte Organisation der Transienten eine wichtige Rolle, um einen Mix gleichermaßen transparent und druckvoll zu machen.

Wie bei allen Elementen einer gut funktionierenden Mischung, empfiehlt es sich bereits vor der Aufnahme Zeit zu investieren, denn Mikrofonierung, Plektren, Sticks, Saiten, Fälle etc. haben einen großen Einfluss auf den Klang der Anschlagsgeräusche.

Je natürlicher das Verhalten der Transienten sein soll, desto weniger Kompression muss zum Einsatz kommen. Machmal kann es jedoch nötig sein, bei Aufnahmemängeln, sehr dichten Arrangements – oder einfach aus ästhetischen Gründen, den Klang der Transienten zu verändern.

Dies kann grundsätzlich auf zwei Arten geschehen:

(1) Die Transienten werden verstärkt oder (2) sie werden abgeschwächt.

Beides lässt sich mit dem Kompressor erreichen und in vielen Mischungen werden meist beide Varianten benötigt.

Da Transienten von kurzer Dauer sind, muss der Kompressor schnell arbeiten. I. d. R empfiehlt es sich also den Peak/RMS-Regler auf Peak zu stellen. Da die Bearbeitung von Transienten den Groove der Musik u. U. Stark beeinflussen kann, muss hier vorsichtig gearbeitet werden und besonders die Release-Zeit dem Tempo angepasst werden. Betrachten wir nun beide Fälle im Detail.

1. Verstärken von Transienten:

Diese Anwendung ist oft für Snare-Drums wichtig, um z. B. bei einem dichten Mix eine konstante und kräftige Snare zu bekommen (zumindest auf den wichtigen Akzenten wie der zweiten und vierten Zählzeit beim Backbeat). Um den Anschlag hervorzuheben, wird die Attack-Zeit hoch gestellt. Dabei ist das Ziel, so viel Anschlagsgeräusch wie möglich durchzulassen und das Signal danach zu komprimieren.

Ein einfacher Trick, um herauszufinden ab wann genug durchgelassen wird, funktioniert wie folgt: Man stellt die Attack-Zeit so hoch es geht (über 100 ms) und die Release-Zeit so niedrig wie möglich (unter 5 ms). Bei hoher Ratio wird (4:1 oder höher) wird der Threshhold runtergeregelt, bis die wichtigen Akzente deutlich komprimiert werden. Jetzt gilt es die Attackzeit zu verringern, bis sich die Klangfarbe des Instruments merklich verändert. Je niedriger die Attack-Zeit desto, weicher und dumpfer klingt das Signal. Gesucht wird der Punkt an dem die Klangfarbe beginnt sich zu verändern – je nach Signal kann das etwa zwischen 25 und 60 ms liegen. Sobald der Punkt gefunden ist, wird die Attack-Zeit wieder minimal erhöht.

Nun gilt es die Release-Zeit anzupassen: Hier empfiehlt es sich zu experimentieren und das ganze im Kontext zu hören. Meist kann die Release-Zeit leicht angehoben werden – das Signal verdichtet sich so etwas mehr – wichtig ist jedoch dabei auf den Groove zu hören und darauf zu achten, dass nur die Relevanten Akzente komprimiert werden. Dabei sollte der Kompressor so schnell arbeiten, dass bei jedem neuen Akzent die Kompression von vorne beginnt – ist die Release-Zeit zu hoch kann es passieren, dass ein Akzent den nächsten mitkompromiert und dadurch der Druck verloren geht.

Sind Attack- und Release eingestellt, lässt sich über die Ratio und den Knee-Faktor der Charakter der Transienten noch weiterverfeinern. Je höher die Ratio, desto knackiger und unnatürlicher wird der Klang.

Geringere Ratios (2:1) und ein höherer Knee-Faktor, lassen die Akkzentuierung etwas subtiler erscheinen.

Ist der gewünschte Sound gefunden, gilt es nur noch den Threshold nachzuregeln und Lautstärkenverluste mit dem Gain-Regler anzupassen. Das Ergebniss sollte eine durchsetzungsfähigerer Klang sein.

2. Abschwächen von Transienten:

Hier soll das genaue Gegenteil erreicht werden. Ein Klang mit zu starken Transienten soll etwas gezähmt werden. Das kann z. B. für bestimmte Percussionsounds wichtig sein, die sonst mit den wichtigen Transienten des Beats (Kick und Snare) interferieren könnten.

Diese Art von Kompression ist etwas leichter umzusetzen. Die Attack-Zeit ist (sehr) niedrig (0,1 – 1,5 ms) und auch die Release-Zeit sollte so kurz wie möglich sein. Allerdings kann es bei zu kurzen Release-Zeiten zu Artefakten in Form von Verzerrung kommen. Sollte das der Fall sein, muss der Wert soweit erhöht werden, bis keine Artefakte mehr zu hören sind. Die Ratio kann tendenziell etwas höher sein (mind. 4:1 – 10:1) und in der Regel arbeitet ein solcher Kompressor Hard-Knee. Ist der Kompressor eingestellt sollte im Gesamtmix der Threshold eingestellt werden. Dabei empfiehlt es sich den Regler zu nächst auf 0 zu stellen und ihn anschließend so weit runter zu ziehen bis die als störend empfundenen Transienten weich klingen. Sollte die betroffene Spur nun untergehen, kann das über den Gain-Regler nachgeregelt werden.

Die wichtigsten Parameter für beide Fälle im Überblick:

(1)

  • Threshold: Am Groove/ Akkzenten orientiert (Bsp. Backbeat der Snare)
  • Ratio: 2:1 – 4:1
  • Attack: Lang genug, um das Anschlagsgeräusch durchzulassen
  • Release: Kurz, sollte (Groove, Tempo, Instrument) angepasst werden
  • Knee: Je nach Geschmack soft oder hard
  • Detektionsmodus: Eher Peak (auch hier Kann ähnlich wie mit Knee experimentiert werden)
  • Anwendungen: Drums, Percussion, sonstige Transienten, die verstärkt werden sollen

(2)

  • Threshold: Nach Gehör, bis die Transienten merklich zurückgehen
  • Ratio: 4:1 – 10:1
  • Attack: Sehr kurz
  • Release: Sehr kurz, bei Verzerrung leicht anheben
  • Knee: Hard
  • Detektionsmodus: Peak

Anwendungen: Drums, Percussion, sonstige Transienten, die reduziert werden sollen

Nächster Teil: Arbeiten mit dem Sidechain


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